Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) ist eine von Viren verursachte Infektionserkrankung mit einem bestimmten regionalen Verbreitungsmuster. FSME-Viren werden durch einen Zeckenstich übertragen. Da die Erreger eine Mindesttemperatur von acht Grad Celsius benötigen, um sich zu vermehren, tritt FSME bevorzugt in der wärmeren Jahreszeit auf ("Frühsommer").
In Deutschland sind etwa ein bis fünf Prozent aller Zecken mit dem FSME-Virus infiziert, aber nicht jeder Stich einer infizierten Zecke führt beim Menschen zu einer FSME-Erkrankung. In 70 Prozent aller Fälle verläuft eine FSME-Infektion unbemerkt und harmlos, bei 20 bis 25 Prozent treten grippeähnliche, ebenso harmlose Erkrankungen auf. Nur ca. fünf bis zehn Prozent der Infektionsfälle führen zur gefürchteten "echten" FSME-Erkrankung, die bleibende neurologische Schäden hinterlassen kann, weil das zentrale Nervensystem beteiligt ist. In Einzelfällen verläuft die FSME tödlich.
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis wird in erster Linie über Antikörper im Blutserum oder im Hirnwasser nachgewiesen. Noch existiert keine Behandlung, die zur Heilung führt; es werden einzig die Symptome der FSME therapiert. Aus diesem Grund werden vorbeugende Maßnahmen ausdrücklich empfohlen. Hierzu zählen allgemeine Maßnahmen (z.B. Schutz durch Kleidung oder frühe Zeckenentfernung mit einer Zeckenpinzette), wie auch die FSME-Schutzimpfung in Risikogebieten.
Definition
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) ist eine während der warmen Jahreszeit örtlich begrenzt auftretende Viruserkrankung. Als Enzephalitis bezeichnet man allgemein eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Diese betrifft bevorzugt oder ausschließlich das Hirngewebe. Die Erkrankung kann sowohl die Hirnhäute miteinbeziehen, man spricht dann von einer Enzephalo-Meningitis, als auch auf das Rückenmark übergreifen, was zu einer Enzephalo-Myelitis führt.
Das geographische Verbreitungsgebiet ist bei einer Vielzahl dieser Erkrankungen in die Namensgebung eingeflossen, wie z.B. bei der Japanischen Enzephalitis oder der St.-Louis-Enzephalitis. Gelegentlich werden auch andere Charakteristika bei der Benennung berücksichtigt, wie z.B. die jahreszeitliche Häufung im Frühjahr bei der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME).
Verbreitung
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) ist vorwiegend in Zentral-, Nord- und Osteuropa, den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion sowie in China anzutreffen. Außerhalb des deutschen Sprachraums wird die Erkrankung auch als russische Frühsommer-Enzephalitis, als Taiga-Enzephalitis oder als tick-borne encephalitis bezeichnet.
Es gibt Gebiete, so genannte Naturherd- oder Risikogebiete, in denen gehäuft FSME-Erkrankungen auftreten. In Deutschland betrifft dies Gegenden im nördlichen und östlichen Bayern, im südlichen Baden-Württemberg, in Hessen (Odenwald) sowie in Süd-Thüringen und Rheinland-Pfalz. Ausgedehnte Naturherdgebiete finden sich außerdem in Russland, Lettland, Estland, Litauen, der Tschechischen Republik und mehreren anderen europäischen Ländern.
Studien haben gezeigt, dass in FSME-Risikogebieten bei jedem 25. bis 100. Zeckenstich ein Infektionsrisiko besteht. Besonders gefährdet sind Personen, die in den Naturherdgebieten leben, sowie Menschen, die sich häufig in Waldgebieten aufhalten – ob aus beruflichen Gründen, z.B. Forstarbeiter, oder um Freizeitaktivitäten nachzugehen, z.B. Wanderer, Radfahrer oder Camper.
Häufigkeit
n Deutschland wurden im Jahr 2006 546 FSME-Fälle gemeldet. In den Jahren davor betrug die jährliche Zahl durchschnittlich 262. Die meisten Erkrankungsfälle gibt es in den Hochrisikogebieten von Baden-Württemberg und Bayern zwischen Juni und August. Im Jahr 2004 traten erstmals auch einzelne Fälle in Bundesländern auf, in denen zuvor keine oder nur selten FSME-Infektionen vorkamen.
Dieser steigende Trend zeigt sich auch in den meisten anderen europäischen Ländern. Nur in Österreich, wo knapp 90 Prozent der Bevölkerung gegen FSME geimpft sind, erkranken nur wenige Menschen. Vor der Einführung der allgemeinen FSME-Impfung waren es jährlich einige Hundert.
Nach dem Infektionsschutzgesetz, das in Deutschland am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, besteht für eine Meldepflicht für den direkten und indirekten Erregernachweis bei akuter FSME-Infektion.
Ursachen
Erreger
Eine Enzephalitis kann durch die verschiedensten Erreger hervorgerufen werden, so z.B. durch Viren, Bakterien oder Pilze. Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) wird durch bestimmte RNA-Viren aus der Familie der Flaviviren ausgelöst. Eine Vielzahl dieser Flaviviren kann beim Menschen eine Enzephalitis auslösen. Neben der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis können dies z.B. die Japanische Enzephalitis, die St.-Louis-Enzephalitis oder die Murray-Valley-Enzephalitis sein.
Es sind drei Subtypen des FSME-Virus bekannt: der westliche oder europäische, der östliche und der fernöstliche Subtyp. Alle drei befallen sowohl Säugetiere als auch Vögel. Die Überträger (Vektoren) der FSME-Viren sind bestimmte Zecken (Ixodes). Der westliche Subtyp wird hauptsächlich durch den so genannten "Holzbock" (Ixodes ricinus), der östliche und fernöstliche Subtyp durch Ixodes persulcatus übertragen. Nach der Infektion mit einem Subtyp besteht eine lebenslange Immunität, auch gegenüber den beiden anderen Subtypen.
Zecken können auch das Bakterium Borrelia burgdorferi übertragen und so eine Lyme-Borreliose hervorrufen. Im Gegensatz zur FSME ist die Borreliose landesweit verbreitet.
Übertragungsweg
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) wird fast ausschließlich durch Zeckenstiche auf den Menschen übertragen. Extrem selten sind Übertragungen durch virusinfizierte Rohmilch von Ziege oder Schaf. Rinder können ebenfalls Träger von FSME-Viren sein. In Osteuropa nimmt die Bedeutung dieses Übertragungswegs über Nahrungsmittel zu. Vor allem in Russland sowie den baltischen Staaten, aber auch in Polen und der Slowakei ist die über die Nahrung erworbene (alimentäre) FSME bereits aufgetreten. Eine aerogene Erregerübertragung, also eine Übertragung über die Atemluft, ist durch Einzelbeobachtungen in Laboratorien gesichert, in der Praxis jedoch höchst unwahrscheinlich. Von Mensch zu Mensch wird der FSME-Erreger nicht übertragen.
Die Zecken nehmen die FSME-Erreger beim Blutsaugen auf und geben sie bei der nächsten Blutmahlzeit an einen anderen Wirt wie Füchse, Rehwild, Vögel oder auch an den Menschen weiter. Da Zecken sich bevorzugt in Sträuchern, dicht stehenden Gräsern sowie im Unterholz bis maximal 1,5 Meter über dem Erdboden aufhalten, ist die Gefahr, in Laub- und Mischwäldern sowie an Wegrändern, aber auch in Gärten und Parkanlagen gestochen zu werden, besonders groß. Die jahreszeitliche Häufung der FSME-Infektionen im Frühsommer erklärt sich einerseits aus der gesteigerten Zeckenaktivität (am höchsten von April bis Juli). Andererseits sind dann die Menschen bei ihren Freizeitaktivitäten im Freien leicht(er) bekleidet. Selten kann man auch schon im März und auch noch spät im Oktober an einer Frühsommer-Meningo-Enzephalitis erkranken.
Die Inkubationszeit, d.h. die Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit, beträgt bei FSME zwischen sieben und 14 Tagen, kann in Ausnahmefällen aber bis zu vier Wochen dauern.
Symptome
Ein Zeckenstich ist schmerzlos und wird daher im Allgemeinen nicht bemerkt. Wenn es zu einer Infektion mit dem FSME-Virus kommt, können zwei Verlaufsformen auftreten: die inapparente, d.h. nicht in Erscheinung tretende Infektion, sowie die manifeste, also die an Symptomen erkennbare Infektion.
Bei der überwiegenden Anzahl der infizierten Personen (ca. 70 Prozent) verläuft eine FSME-Infektion asymptomatisch, d.h. völlig ohne Symptome. In diesen Fällen weisen lediglich bestimmte Blutuntersuchungen die abgelaufene Infektion nach. Bei den übrigen ca. 30 Prozent der Infizierten manifestiert sich die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis. Innerhalb dieser Verlaufsform können zwei aufeinander folgende Phasen unterschieden werden, wobei die Erkrankung meist nach der ersten Phase abklingt, ohne in die zweite Phase überzugehen.
Die erste Phase der FSME dauert zwischen drei und sieben Tagen. Hier treten grippeähnliche Symptome wie leichtes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Husten auf. Nur bei etwa zehn Prozent der Infizierten geht FSME nach einem fieberfreien Intervall von ca. ein bis zwei Wochen in die zweite Phase über, für die eine Infektion des Nervensystems typisch ist.
Erkrankungsformen
Nach den vorrangig befallenen Strukturen unterscheidet man die Meningitis (Entzündung der Hirnhäute), die Meningo-Enzephalitis (Entzündung von Hirnhäuten und Gehirn) sowie die Meningo-Enzephalo-Myelitis (Entzündung von Hirnhäuten, Gehirn und Rückenmark).
Bei der Meningitis treten starke Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sowie eine typische Nackensteifigkeit auf. Im Allgemeinen klingen diese Beschwerden nach ein bis zwei Wochen folgenlos ab. Zusätzlich zu den Symptomen der Meningitis, treten bei der Meningo-Enzephalitis, bei der auch das Hirn beteiligt ist, Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auf. Evtl. kommt es zu Krampfanfällen und Bewegungsstörungen insbesondere der Gesichtsmuskulatur. Diese Erkrankung heilt in ein bis drei Wochen ab. Die Meningitis-Enzephalo-Myelitis äußert sich zusätzlich durch schlaffe Lähmungen des Schultergürtels, der Arme aber auch der Beine – ähnlich der Poliomyelitis (Kinderlähmung). Diese Lähmungen können plötzlich auftreten, aber sich auch langsam über mehrere Tage hinweg entwickeln. Die Dauer dieser FSME-Erkrankungsform ist mit bis zu zwei Monaten am längsten.
Diagnose
Häufig gibt schon die Krankengeschichte (Waldspaziergang o.Ä.) erste Hinweise auf einen möglichen Zeckenstich. Besteht Verdacht auf eine Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME), folgen spezielle Untersuchungen. Ab Beginn der zweiten Phase können FSME-Virus-spezifische IgM- und IgG-Antikörper im Blutserum oder Hirnwasser (Liquor) nachgewiesen werden.
Das FSME-Virus selbst ist schon zu Beginn der Erkrankung im Blut und Liquor nachweisbar. Da die Symptome, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt auftreten, erfolgt diese Untersuchung aber nur sehr selten.
Therapie
Ein Medikament gegen die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) gibt es bisher nicht. Die Therapie beschränkt sich deshalb auf symptomatische, pflegerische Maßnahmen wie Bettruhe, schmerzlindernde, beruhigende und krampflösende Medikamente. In der zweiten Phase der FSME sollte der Erkrankte ständig überwacht werden weil Komplikationen (z.B. Krampfanfälle) auftreten können.
Treten neurologische Funktionsstörungen bei der FSME auf, sind häufig Rehabilitationsmaßnahmen aus dem krankengymnastischen, ergotherapeutischen und gelegentlich auch logopädischen Bereich notwendig.
Verlauf
Komplikationen
Durchschnittlich ist bei zehn Prozent der Erkrankten der zweiten FSME-Phase mit bleibenden Schäden zu rechnen, wobei hier vorrangig an Meningo-Enzephalo-Myelitis Erkrankte betroffen sind. Dazu gehören sowohl neurologische Schäden, vor allem Lähmungen, epileptische Anfälle oder lang andauernde Kopfschmerzen, aber auch psychische Auffälligkeiten, wie z.B. Intelligenz- und Verhaltensstörungen. Die Komplikationsrate ist bei Kindern wesentlich höher, bei Kleinkindern mit Meningo-Enzephalo-Myelitis beispielsweise bis zu 70 Prozent. Prognose
Die Prognose der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) hängt vom Erkrankungsalter und dem Krankheitsverlauf ab. Die schlechteste Prognose haben Kleinkinder (höchste Komplikationsrate) sowie ältere Menschen (höchste Sterblichkeitsrate) mit Meningo-Enzephalo-Myelitis. Die durchschnittliche Sterblichkeitsrate der FSME-Erkrankung liegt bei etwa einem Prozent.
Vorbeugen
Neben allgemeinen Schutzmaßnahmen gegen Zeckenstiche ist die sicherste Möglichkeit, einer FSME-Erkrankung vorzubeugen, die aktive Immunisierung (Impfung). Zu ersteren zählt, Risikogebiete – wenn möglich – zu meiden bzw. schützende Kleidung zu tragen. Nach dem Aufenthalt im Freien sollte man den Körper nach Zecken absuchen. Werden dabei welche entdeckt, müssen diese vorsichtig (mit einer Zeckenpinzette) entfernt werden. Dabei darf die Zecke nicht zusammengedrückt werden, da ansonsten zusätzlich virusinfizierter Speichel in die Stichwunde gelangen kann.
Aktive Immunisierung
Die aktive Impfung gegen FSME erfolgt mithilfe von inaktivierten (abgetöteten) Viren. Diese regen den Körper zur Antikörper-Produktion gegen die FSME-Viren an. Geimpft werden sollten Personen, die sich in Bereichen mit hohem Infektionsrisiko aufhalten bzw. aufhalten wollen. Es sind bei einer FSME-Impfung – unabhängig vom Präparat und dem Impfschema – immer drei Teilimpfungen für eine Grundimmunisierung notwendig. Der Impfstoff wird meist in die Muskulatur des Oberarms (intramuskulär) gespritzt.
Bei dem konventionellen Impfschema werden die ersten beiden FSME-Impfungen im Abstand von ein bis drei Monaten durchgeführt, die dritte Impfung nach neun bis zwölf Monaten. Ab ca. zwei Wochen nach der zweiten Impfung setzt der Impfschutz ein. Mediziner empfehlen eine FSME-Impfung in der kalten Jahreszeit, sodass sie pünktlich im Frühjahr zur Wirkung kommt.
Ist ein rascher Impfschutz nötig, gibt es ein spezielles Schema zur Schnellimmunisierung. Die ersten beiden FSME-Impfungen erfolgen hierbei im Abstand von einer Woche, die dritte zwei Wochen nach der zweiten Impfung. Ein verlässlicher Impfschutz besteht in diesem Fall schon am 21. Tag, also dem Tag der letzten Impfung. Alternativ gibt es bei einem Präparat die Möglichkeit, an den Tagen 0 und 14 zu impfen. Der Abschluss der Grundimmunisierung erfolgt aber erst fünf bis zwölf Monate später, sodass in diesem Fall nicht von einem Kurzschema gesprochen werden kann.
Die aktive FSME-Schutzimpfung muss alle drei Jahre aufgefrischt werden. Bei einer Schnellimmunisierung nach dem 0-7-21-Tage-Schema erfolgt die erste Auffrischung nach zwölf bis 18 Monaten und dann ebenfalls alle drei Jahre. Passive Immunisierung
Eine passive Immunisierung gegen FSME erfolgt mit bereits produzierten Antikörpern aus dem Serum anderer Menschen. Entsprechende Präparate werden in Deutschland seit Jahren nicht mehr angeboten. Früher diente die passive Immunisierung u.a. als „Last-Minute-Prophylaxe“. Inzwischen ist es jedoch möglich, durch die Schnellimmunisierung frühzeitig einen verlässlichen Schutz aufzubauen.