Dreimonatskoliken sind heftige, unstillbare Schreiattacken bei ansonsten gesunden Säuglingen in den ersten drei (manchmal auch bis zu sechs) Lebensmonaten. Ein Säugling mit einer Dreimonatskolik ist ein sogenanntes Schreibaby. Ein Grund für das Schreien ist nicht erkennbar.
Meist beginnen die für Dreimonatskoliken typischen Schreiattacken etwa eine halbe Stunde nach der Mahlzeit sowie am späten Nachmittag. Die schreienden Babys lassen sich kaum beruhigen. Ihr Bauch ist oft geschwollen und gespannt. Außerdem können bei Schreibabys Schlafstörungen und Probleme beim Füttern auftreten.
Die Ursachen für Dreimonatskoliken sind – anders als der Name vermuten lässt – nicht eindeutig geklärt. Sowohl psychische als auch körperliche Faktoren können ein Grund für das lang anhaltende Schreien sein. Für die Diagnose ist es daher neben der körperlichen Untersuchung des Schreibabys entscheidend, auch die Eltern genau zu befragen. Zusätzlich sind beispielsweise Tests, Videoaufnahmen oder Blutuntersuchungen sinnvoll. Welche Therapie bei Dreimonatskoliken sinnvoll ist, hängt von den jeweiligen Ursachen ab.
Definition
Dreimonatskoliken sind heftige Schreiattacken von Säuglingen, die im ersten Lebenshalbjahr auftreten. Per Definition ist der betroffene Säugling ein Schreibaby, wenn er an mehr als drei Tagen pro Woche täglich mehr als drei Stunden schreit und dieses Verhalten länger als drei Wochen anhält. Die Bezeichnung Dreimonatskolik weist auf die übliche Dauer der Störung hin: Dreimonatskoliken treten ab der zweiten Lebenswoche auf und klingen meist nach dem dritten Lebensmonat ab.
Das für Dreimonatskoliken typische übermäßige Schreien setzt gehäuft nach den Mahlzeiten und am späten Nachmittag ein. Das Schreibaby lässt sich kaum beruhigen. Ein Grund für sein Schreien ist nicht erkennbar.
Häufigkeit
Dreimonatskoliken treten mit recht großer Häufigkeit auf: Jeder achte bis zehnte Säugling ist von unstillbaren Schreiattacken betroffen. Bei etwa zwei Dritteln dieser Schreibabys hören die Schreiattacken am Ende des dritten Lebensmonats auf. Nur in wenigen Fällen bestehen sie bis in den sechsten Lebensmonat fort.
Schreibabys gibt es sowohl in Industrieländern als auch bei Naturvölkern. Säuglinge aus Haushalten, in denen geraucht wird, sind häufiger von Dreimonatskoliken betroffen als Säuglinge aus rauchfreier Umgebung.
Ursachen
Bei Dreimonatskoliken sind an dem Schreibaby häufig keine körperlichen Ursachen für das heftige Schreien feststellbar. Ein Schreibaby ist in den meisten Fällen gesund. Dennoch ist es wichtig, bei Dreimonatskoliken alle infrage kommenden Auslöser – verschiedene körperliche oder psychische und nahrungsmittelbedingte Faktoren – in Betracht zu ziehen. In seltenen Fällen liegt bei Schreibabys tatsächlich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, eine Refluxkrankheit oder eine andere Erkrankung vor.
Körperliche Ursachen
Für Dreimonatskoliken kommen verschiedene körperliche Ursachen infrage. Die typischen lang anhaltenden Schreiattacken bei Dreimonatskoliken fallen zeitlich mit den bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten stattfindenden Reifungs- und Anpassungsprozessen zusammen. In dieser Zeit ist das Verdauungssystem noch nicht ausgereift, sodass besonders in den ersten drei Monaten die Verdauung dem Säugling zu schaffen macht: Es können vermehrt Blähungen und Bauchschmerzen auftreten.
Durch Parasitenbefall, insbesondere durch Würmer wie Askariden, kann sich der Darm entzünden, was zu krampfartigen Bauchschmerzen und somit zu Schreiattacken des Babys führt. Die Bedeutung einer chronischen Blinddarmentzündung (Appendizitis) als Auslöser von Dreimonatskoliken ist umstritten. In sehr seltenen verursachen krampfartige Bauchschmerzen durch eine Invagination des Dünndarms Dreimonatskoliken. Hierbei stülpt sich ein Darmabschnitt in den folgenden Darmabschnitt ein. Die Diagnose erfolgt mithilfe einer Ultraschalluntersuchung. Häufig bewirkt bereits eine sanfte Massage, dass sich die Darmschlingen lösen, sodass eine Operation vermeidbar ist.
Auch andere schmerzhafte Erkrankungen können Dreimonatskoliken bei Säuglingen verursachen, zum Beispiel Infektionen der Ohren sowie der Atemwege und Harnwege. Ferner können Gehirnschäden die exzessiven Schreiattacken eines Schreibabys auslösen.
Oft sind es keine Schmerzen, die zu Dreimonatskoliken führen. Vielmehr liegt häufig ein Schlafmangel vor, weil das Schreibaby zum Beispiel Schwierigkeiten beim Einschlafen hat, tagsüber kaum erholsamen Schlaf findet und dadurch mehr und mehr überreizt wird.
Psychische Ursachen
Für Dreimonatskoliken kommen auch psychische Ursachen infrage: Spannungen (Beziehungsstörungen) zwischen Mutter und Kind können Schreiattacken im Säuglingsalter auslösen. Diese Schreiattacken sind auf Verhaltensschwierigkeiten der Mutter beziehungsweise der Eltern zurückzuführen. Dabei spielen Überforderungssituationen eine Rolle, aber auch eine Ablehnung des Babys (was sich durch ein Schreibaby noch verstärken kann) oder der Schwangerschaft, Unsicherheit im Umgang mit dem Säugling sowie soziale und emotionale Belastungen (wie psychische Erkrankungen der Eltern). Spannungen können auch durch Konkurrenzsituationen zwischen Geschwistern entstehen.
Nahrungsbedingte Ursachen
Dreimonatskoliken liegen manchmal nahrungsbedingte Ursachen zugrunde. Vorübergehende Fütterstörungen im Säuglingsalter sind häufig und nicht gleich als Krankheit zu werten. Halten die Probleme allerdings länger als einen Monat an oder dauert die einzelne Fütterung über 45 Minuten bei kurzem Intervall zwischen den Mahlzeiten, sind dies wichtige Hinweise auf eine mögliche Erkrankung des Schreibabys.
Manche Dreimonatskoliken sind darauf zurückzuführen, dass das betroffene Schreibaby falsch ernährt wird oder keine Kuhmilcheiweiße verträgt. Diese Kuhmilcheiweiße sind nicht nur in Flaschennahrung vorhanden – sie können in Spuren auch in der Muttermilch enthalten sein. Säuglinge, die gestillt werden, sind genauso häufig Schreikinder wie so genannte Flaschenkinder. Auch ein Überangebot an Milchzucker (Laktose) in der Nahrung kann zu vermehrten Blähungen im Darm und somit zu einem Schreibaby führen.
Die Ursachen für Dreimonatskoliken bei Babys können auch in deren Trinkverhalten liegen, durch welches zu viel Luft in den Darm gelangt. Trinkt das Baby besonders viel und hastig oder ist das Saugerloch des Fläschchens zu groß, verschluckt es bei der Nahrungsaufnahme übermäßig viel Luft. Stößt das Kind dann nach den Mahlzeiten nicht rechtzeitig auf, gelangt die Luft weiter in den Darm und verursacht Schmerzen.
Dreimonatskoliken können auch die Folge einer Mangel- oder Fehlernährung des Säuglings sein. Diese kann banale Ursachen haben, zum Beispiel wenn nicht genügend Muttermilch gebildet wird oder Probleme beim Stillen auftreten. Der Hunger des Säuglings äußert sich dann durch Schreiattacken.
Symptome
Bei Dreimonatskoliken zeigt das Schreibaby während der Schreiattacken in der Regel folgende Symptome:
Das für Dreimonatskoliken typische heftige Schreien setzt plötzlich ein, kann stundenlang andauern und ist oft durch nichts zu unterbrechen. Eine Ursache für das Schreien ist meist nicht erkennbar. Ein Schreibaby zieht während der Schreiattacke seine Beine krampfhaft an und ballt meist die Hände zusammen. Der Bauch ist währenddessen gespannt und druckempfindlich. Es können Blähungen auftreten, die durch das übermäßige Schreien – nicht durch Verdauungsprobleme – entstehen. Das Schreibaby läuft im Gesicht hochrot an und schwitzt; mitunter kann es auch blass sein.
Typischerweise treten die Schreiattacken bei Dreimonatskoliken kurz nach den Mahlzeiten sowie am Nachmittag und in den frühen Abendstunden auf. Der Stuhl von Schreibabys ist selten auffällig. Die betroffenen Säuglinge zeigen in der Regel keine Wachstumsstörungen. Es können jedoch Symptome von Schlaf- und Fütterstörungen auftreten.
Diagnose
Ob Dreimonatskoliken bei einem Schreibaby die Ursache für die Schreiattacken sind, ist in einer gründlichen Diagnose abzuklären. In den meisten Fällen sind Schreibabys gesund. Dennoch ist es wichtig, bei der Diagnose von Dreimonatskoliken alle für das übermäßige Schreien infrage kommenden Auslöser auszuschließen: Bei Schreibabys kann durchaus auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, eine Refluxkrankheit oder eine andere Erkrankung bestehen.
Zur Diagnose von Dreimonatskoliken befragt der Arzt die Eltern (insbesondere die Mutter) des Schreibabys ausführlich und sorgfältig zum Beschwerdebild des Säuglings. Anschließend untersucht er das Schreibaby neurologisch. Eine wenig belastende und für das Kind ungefährliche Untersuchung stellt die Ultraschalluntersuchung dar. Weitere wichtige Hinweise kann eine Untersuchung einer Stuhlprobe liefern. Eine Fütterstörung lässt sich anhand des Blutbilds und der körperlichen Untersuchung des Schreibabys diagnostizieren. Schlafstörungen können im Schlaflabor abgeklärt werden.
Eine große Hilfe bei der Diagnose von Dreimonatskoliken sind mitunter Videoaufnahmen der Eltern-Kind-Wechselbeziehung, sofern die Eltern damit einverstanden sind. Auch Beurteilungsbögen zur Eltern-Kind-Beziehung können dazu beitragen, eine Dreimonatskolik und ihre eventuellen Ursachen festzustellen.
Therapie
Die bei einem Säugling mit Dreimonatskoliken (Schreibaby) eingesetzte Therapie richtet sich so weit wie möglich nach den Ursachen. Da bei einem Schreibaby in den meisten Fällen keine körperlichen Ursachen für die Dreimonatskoliken feststellbar sind, können Sie zunächst Folgendes versuchen:
-Wiegen Sie als erste Maßnahme bei Schreiattacken durch Dreimonatskoliken Ihr Baby ruhig hin und her, singen Sie ihm etwas vor oder spielen Sie ihm beruhigende Musik vor. -Massieren Sie den Bauch Ihres Babys sanft im Uhrzeigersinn um den Nabel herum. -Tragen Sie Ihr Baby herum. Legen Sie es dabei am besten mit dem Bauch auf den Unterarm und stützen Sie es mit der anderen Hand sicher ab. -Bleiben Sie im Umgang mit Ihrem Schreibaby gelassen und ausgeglichen – auch wenn dies schwer fällt. Scheuen Sie sich nicht, um Hilfe bei der Betreuung Ihres Schreibabys zu bitten, wenn Sie das Gefühl haben, die Belastung nicht mehr ertragen zu können. -Sorgen Sie dafür, dass die Umgebung Ihres Babys vollkommen frei von Tabakrauch ist.
Dreimonatskoliken stellen oftmals eine große Belastung für die Eltern von Schreibabys dar. In speziellen Schreiambulanzen können Sie sich über bei einem Schreibaby geeignete Beruhigungsmaßen und richtige Fütterungstechniken informieren. Außerdem erfahren Sie in dieser Ambulanz, wie Sie sich selbst entlasten können. Klingen die Symptome der Dreimonatskoliken nicht ab oder beobachten Sie an Ihrem Baby weitere Symptome, sollten Sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Sind familiäre Spannungen oder Konfliktsituationen für Dreimonatskoliken verantwortlich, sollten diese offen zur Sprache kommen (zum Beispiel in der so genannten Eltern-Säuglings-Psychotherapie). Wenn sich die Psychotherapie als erfolglos erweist, die Mutter sich am Tag eine Entlastung wünscht oder schwere psychosoziale Umstände vorliegen, kann es erforderlich sein, das Schreibaby teilstationär zu behandeln.
Bei nahrungsmittelbedingten Dreimonatskoliken ist es zur Behandlung ratsam, die Ernährung entsprechend umzustellen: Das Schreibaby sollte eine nicht allergieauslösende (hypoallergene) Nahrung oder – bei nicht ausreichender Muttermilch – Flaschennahrung erhalten. Eine Beratung zur richtigen Ernährung ist hier sinnvoll.
Liegen Dreimonatskoliken eindeutige körperliche Erkrankungen zugrunde, wird das Schreibaby gezielt behandelt: Bei Infektionen helfen Antibiotika, bei Wurmerkrankungen beseitigt eine Wurmkur die Parasiten. Bei einer Invagination des Darms reicht es häufig aus, den Bauch des Schreibabys sanft zu massieren, ansonsten ist eine Operation nötig.
Verlauf
Die für einen Säugling mit Dreimonatskoliken (Schreibaby) typischen Schreiattacken zeigen einen zeitlich begrenzten Verlauf: Die Schreiattacken treten nur in den drei bis sechs Monaten auf, danach verschwinden sie.
Allerdings kann es im Verlauf von Dreimonatskoliken zu Komplikationen kommen, die sich aus der körperlichen und seelischen Belastung der Eltern durch das lang anhaltende Schreien und den damit verbundenen Schlafmangel ergeben: Manchmal schütteln verzweifelte Eltern ihr schreiendes Baby. Doch schon kurzes Schütteln des Schreibabys kann zu schweren gesundheitlichen Schäden und sogar zum Tod führen. Auch andere Formen der Kindesmisshandlung oder psychische Probleme des Kindes können infolge von Dreimonatskoliken auftreten.