Desinfektion macht einen wesentlichen Teil der antiseptischen Arbeitsweise aus. Laut dem Deutschen Arzneibuch (DAB) bedeutet Desinfektion: „Totes oder lebendes Material in einen Zustand versetzen, dass es nicht mehr infizieren kann“. Zur Desinfektion verwendet man verschiedene Desinfektionsmittel. Je nach ihrem Einsatzort werden Händedesinfektionsmittel, Flächendesinfektionsmittel und Instrumentendesinfektionsmittel unterschieden. Technisch unterscheidet man zwischen Desinfektion und Sterilisation. Von Desinfektion spricht man bei einer Keimreduktion um einen Faktor von mindestens 105, das heißt, dass von ursprünglich 100.000 vermehrungsfähigen Keimen (sogenannten koloniebildende Einheiten (KBE)) nicht mehr als ein Einziger überlebt. Bei der Sterilisation dürfen höchstens 10−6 KBE auf einer Einheit des Sterilisierguts enthalten sein, sie ist also wesentlich wirksamer. Bei der Desinfektion der Hände unterscheidet man zwischen der sogenannten „hygienischen“ und der „chirurgischen“ Händedesinfektion.
Sporizidie wird nach der EN Norm 13697 getestet. Damit ein Wirkstoff/Desinfektionsmittel als sporizid eingestuft werden kann muss er eine 3-log Reduktion bei Sporen hervorrufen. Ein Wirkstoff, der überhaupt Sporen keimunfähig machen kann (ein sporozider Wirkstoff, ein Sporizid), benötigt dafür eine Mindesteinwirkzeit, um die panzernde Hülle der Spore zu durchdringen. Diese erforderliche Einwirkdauer ist dann ein Maß für seine Effizienz als Sporizid. Die in der Tabelle aufgeführten Sporizide Peressigsäure, Wasserstoffperoxid, Ozon und Natriumhypochlorit sind stark reagierende bzw. schnell zerfallende Oxidationsmittel. Sie müssen gegen Wärme und Licht geschützt aufbewahrt und chemisch stabilisiert werden, falls sie nicht gleich nach der Herstellung zur Desinfektion eingesetzt werden sollen. Wasserstoffperoxid bildet mit Peressigsäure und Essigsäure eine „schnell“ sporizide Mischung, die durch die Essigsäure stabilisiert wird. Solche Mischungen werden nur im professionellen Bereich – Reinraumtechnik – eingesetzt. Als Beimischung zu Alkoholen kann Wasserstoffperoxid deren Wirkung bei der Händedesinfektion verbessern.
Bekannte Desinfektionsmittel und ihre Wirkstoffe
AHD 2000, Hospisept und Hospisept-Tuch sind Markennamen von Desinfektionsmitteln zum Desinfizieren von Flächen. Alle Produkte sind bakterizid, fungizid, tuberkulozid, begrenzt viruzid (inkl. Hepatitis B, Hepatitis C, HIV gemäß RKI-Empfehlung Bundesgesundheitsblatt 2008). Wirksame Bestandteile sind primär die beiden Alkohole 1-Propanol und 2-Propanol. Nutzer sind vor allem Krankenhäuser und pflegende Einrichtungen. Bei dem Markeninhaber handelt es sich um die Firma Lysoform Dr. Hans Rosemann GmBH. Sagrotan ist der Markenname eines Desinfektionsmittels für Gegenstände und Flächen. Es wirkt bakterizid, fungizid und teilweise viruzid. Wirksame Bestandteile des Mittels sind heute 2-Propanol, Ethanol, Benzalkoniumchlorid und Glyoxal. In früheren Rezepturen waren diverse Phenole enthalten. Jahrelang wurde es fast ausschließlich in Kliniken und Krankenhäusern verwendet, hat aber in der Zwischenzeit auch Eingang in die Haushalte gefunden. Diese Produkte wurden vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland bzw. werden heute noch zusätzlich in den USA unter dem Markennamen Lysol (Erfinder: Dr. Gustav Adolf Raupenstrauch, 1859-1943) [3] vertrieben, in Großbritannien unter dem Markennamen Dettol (Hersteller Reckitt Benckiser). Oust 3in1 ist der Markenname eines geruchsneutralisierenden und vor allem desinfizierenden Produkts. Enthalten ist unter anderem Ethanol, Triglykol und eine Quartäre Ammoniumverbindung (Benzalkoniumsaccharinat). Ethanol und die quartäre Ammoniumverbindung sind für die desinfizierenden Eigenschaften auf Oberflächen verantwortlich. Triglykol trocknet die Raumluft und minimiert Gerüche in der Luft. Hergestellt wird Oust von dem internationalen Konzern S. C. Johnson & Son. C.F.40 ist ein Desinfektionsmittel-Konzentrat für die Flächendesinfektion. Das DGHM/VAH gelistete C.F.40-Desinfektionsmittel ist auf der Basis quaternärer Ammoniumverbindungen hergestellt. Es wirkt gegen Bakterien, Pilzen, speziellen Viren HIV/HBV. Ein großer Vorteil des Desinfektionsmittels C.F.40 ist, dass es sehr materialverträglich und auf Acrylglasverträglichkeit geprüft und zugelassen ist. Das Produkt C.F.40 wird oft als Desinfektionsmittel in Fitness Center und Sonnenstudios für die Desinfektion von Solarien und Fitnessgeräten eingesetzt.(Hersteller Euroseptica ) Sanosil ist ein Desinfektionsmittel auf der Basis von Wasserstoffperoxid und Silber. Es ist bakterizid, fungizid, viruzid, sporozid, und begrenzt protozoozid. Die beiden Hauptwirkstoffe Silber und Wasserstoffperoxid potenzieren sich in ihrer bioziden Wirksamkeit, was das Produkt wesentlich stärker als handelsübliches Wasserstoffperoxid macht. Sterillium oder Softa-Man acute sind Markennamen von Desinfektionsmitteln zum Einreiben der Haut. Beide Produkte sind bakterizid, fungizid, tuberkulozid, begrenzt viruzid (inkl. Hepatitis B, Hepatitis C, HIV [gem. RKI-Empfehlung Bundesgesundheitsblatt 2008]). Wirksame Bestandteile des Mittels Sterilium sind 2-Propanol, 1-Propanol und Mecetroniumetilsulfat und bei Softa-Man acute zusätzlich zu Propanol und Ethanol noch weitere wichtige Wirkstoffe. Werden hauptsächlich im professionellen Bereich eingesetzt. Betadine (Lösung standardisiert) oder Betaisodona® Lösung (Deutschland) sowie beispielsweise Braunol® sind Desinfektionsmittel/Antiseptika speziell für Haut und Schleimhäute. Sie wirken bakterizid, fungizid, sporozid, protozoozid und viruzid. Betadine ist ein häufig verwendetes Desinfektionsmittel zur Hautdesinfektion vor chirurgischen Eingriffen. Wirkstoff: 10 mg Iod als Polyvidon-Iod pro 1 ml Lösung sowie Hilfsstoffe. Hersteller: Mundipharma. Gleiches gilt für Braunol vom Hersteller B. Braun Melsungen. Sekusept® Plus und Sekusept® Aktiv sind Markennamen von Desinfektionsmitteln, die für die manuelle Instrumentendesinfektion genutzt werden. Sekusept® Plus basiert auf dem Wirkstoff Glucoprotamin® und ist bakterizid, fungizid und begrenzt viruzid. Sekusept® Aktiv basiert auf dem Wirkstoff Peressigsäure und ist bakterizid, fungizid, viruzid und sporozid. Nutzer sind vor allem Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und pflegende Einrichtungen. Bei dem Markeninhaber handelt es sich um die Firma Ecolab. Ein weiteres bekanntes Markenprodukt von Ecolab ist Incidin® Plus, dass als Flächendesinfektiosnmittel genutzt wird. Incidin® Plus basiert auf Glucoprotamin® und ist bakterizid, fungizid begrenzt viruzid (inkl. Hepatitis B, Hepatitis C, HIV gemäß RKI-Empfehlung Bundesgesundheitsblatt 2004).
Probleme beim Einsatz von Desinfektionsmitteln
Resistenzen
Desinfektionsmittel müssen professionell und strategisch verwendet werden. Eine gewohnheitsmäßige Anwendung im Haushalt ist dagegen eher nachteilig. Unsachgemäße Anwendung kann zu Resistenzen führen, wenn insbesondere Wirkstoffkonzentration und Einwirkzeit und damit der Keimreduktionsfaktor zu gering sind (Selektion robuster Stämme). Oft weisen gegen Desinfektionsmittel widerstandsfähige Bakterien auch eine erhöhte Antibiotikaresistenz auf.
Schädigung der Haut
Gewohnheitsmäßige Anwendung von Desinfektionsmitteln zur Reinigung der Hände im Haushalt kann neben die Gesundheit bedrohenden Keimen gleichzeitig die Hautflora zerstören, welche z. B. gegen Dermatosen schützt. Verwendet man stattdessen nur Seife o. ä., so wirken die enthaltenen Tenside weniger desinfizierend (mikrobiozid), als dass sie die Wasserlöslichkeit von Verschmutzungen erhöhen. Seife entfernt eher den zuletzt von außen eingetragenen Schmutz als die dauerhaft vorhandene und erhaltenswerte Hautflora. Angemessene Haut- bzw. Händedesinfektion in der Medizin schädigt die Hautflora dagegen nicht nachhaltig. Nur eine relativ geringe Zahl der Hautflora-Mikroben wird getötet. Die lokal dezimierte Hautflora regeneriert sich bald. Die Kombination von übermäßigem Waschen mit Seife vor der Händedesinfektion und der Desinfektion selbst kann die Hautflora jedoch nachhaltig schädigen, da ein großer Teil der Hautflora im fettartigen Talg der Haarfollikel (Haarbalg) siedelt. Vor tensidfreien oder tensidarmen Desinfektionsmittel sind diesen Mikroben geschützt, die Desinfektion zerstört nur von den Haaren weiter entfernte Mikroben. Diese werden in den folgenden Stunden bzw. Tagen durch Ausbreitung der in den Haarfollikeln gebildeten Keime ersetzt. Übermäßiges Waschen der Hände mit Seife löst dagegen den schützenden Talg. Eine anschließende Händedesinfektion zerstört dann auch die Keime im Haarfollikel, aus denen sich die umliegende Hautflora sonst regenerieren würde.
Auswirkungen auf die Umwelt
Wenn Desinfektionsmittel nicht richtig entsorgt oder bedenkenlos im Haushalt eingesetzt werden, gelangen sie in die Kläranlagen und stören dort das wichtige Zusammenspiel einer Vielzahl von Bakterienarten, wodurch die Reinigungswirkung herabgesetzt wird. Viele Desinfektionsmittel (z. B. Phenol) wirken zudem ökotoxisch auf Gewässer.
Weitere „Nebenwirkungen“ von Desinfektionsmitteln
Manche Wirkstoffe von Desinfektionsmitteln können die menschliche Nase irritieren. Beispiele sind der stechende Geruch von Chlor oder der typische Phenol-Geruch, den Aromaten an sich haben. Bei im Einzelhandel erwerblichen Desinfektionsmitteln sollte man dem Etikett Beachtung schenken und auf die Gefahrensymbole achten. Viele sind ätzend, reizen die Haut und/oder Schleimhäute, oder sie sind entflammbar oder sogar explosiv. Darüber hinaus sind manche Desinfektionsmittel humantoxisch oder karzinogen (Aldehyde, Phenol), und manche können Allergien hervorrufen. Oxidierende Wirkstoffe wie Peroxide oder Halogene können bestimmte Metalle angreifen.
Plasma-Desinfektion
Die Plasma-Desinfektion ist ein noch nicht marktreifes Konzept zur Desinfektion mit kaltem Plasma. Plasma mit niedriger Temperatur tötet zeitsparend auch Antibiotika-resistente Erreger sogar durch die Kleidung ab. Es eignet sich zum Beispiel zur Desinfektion von Gegenständen, zur Handdesinfektion, zur Behandlung von schlecht heilenden chronischen Wunden und von Fußpilz. Plasmageräte für den Hausgebrauch könnten bald desinfizierende Tinkturen, Salben oder Sprays ersetzen.
Desinfektion von Flüssigkeiten
Die Desinfektion von Abwässern, Trinkwasser oder flüssigen Medien kann durch verschiedene Verfahren erfolgen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen chemischen und physikalischen Verfahren zur Desinfektion. Besonders gebräuchliche chemische Verfahren basieren auf der Zugabe von Chlor, Chlordioxid, Wasserstoffperoxid, Silberionen oder Ozon. Gebräuchliche physikalische Verfahren basieren auf dem Erhitzen des Mediums (Pasteurisation oder Dampfdruck im Autoklaven) oder der Bestrahlung mit UV-Licht. Neuartig ist die katalytische Entkeimung mit einem Vollmetallkatalysator in Gegenwart geringer Mengen Wasserstoffperoxid.
Desinfektion von Trinkwasser
Außer dem § 37 des Infektionsschutzgesetzes fordert die Trinkwasserverordnung (TrinkV 2001) in § 6 die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitskeimen. Darüber hinaus sind die anerkannten Regeln der Technik, die in der DIN-Vorschrift 1988 und in DGVW-Vorschriften festgeschrieben sind zu beachten, Arbeitsblätter W 551 „Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums“ und W 553 „Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen“, sowie die VDI-Vorschrift 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“. Zulässige Stoffe und Verfahren zur Abwehr sind in einer aktualisierten Liste des Umweltbundesamtes nach § 11 Trinkwasserverordnung 2001 beschrieben.
Thermische Desinfektion Dazu sind alle Zapfstellen für drei Minuten mit heißem Wasser von 70 °C zu betreiben.
Chemische Desinfektion Meist wird mit Chlor, Chlordioxid, oder Natrium- und Calciumhypochloritlösungen desinfiziert, seltener wird Ozon wegen des Aufwandes in der Trinkwasserhygiene genutzt. Dabei ist die Dosierung von Chlorgaslösungen oder Zusatz von Natrium- und Calciumhypochloritlösungen erlaubt. Zudem kann Chlor vor Ort elektrolytisch hergestellt und dosiert werden oder es wird vor Ort eine Chlordioxidlösung hergestellt und zugesetzt. Ozon und Ozonlösungen sind ebenfalls vor Ort zu erzeugen und in geeigneter Menge zuzusetzen. Nach § 6 Trinkwasserverordnung darf nur die minimale Menge an Desinfektionsmittel zugesetzt werden.
UV-Desinfektion Durch Bestrahlen mit UVC bei 254 nm werden Bakterien inaktiviert, allerdings können Legionellen in Amöben überleben. Zur Verbesserung der Wirkung kann zusätzlich Ultraschall genutzt werden.
Membrantechnik Zunehmend werden auch Membranen zur Entfernung von Mikroorganismen benutzt. Mit Mikro- und Ultrafiltration lassen sich bei einer Porengröße von kleiner als 0,2 µm auch Bakterien, teilweise sogar Viren ausfiltern.
Rechtliche Klassifizierung in Deutschland
Die Herstellung und Verwendung von Desinfektionsmitteln werden durch Gesetze geregelt. - Arzneimittelrecht
- Humanarzneimittel Desinfektionsmittel sind Humanarzneimittel, wenn sie am Menschen angewendet werden zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionserkrankungen.
- Tierarzneimittel Desinfektionsmittel sind Tierarzneimittel, wenn sie am Tier angewendet werden zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionserkrankungen oder wenn sie angewendet werden, um Geräte antiseptisch zu machen, bevor diese Geräte mit dem Tier in Kontakt kommen oder den tierärztlichen Behandlungsbereich antiseptisch zu machen.
- Medizinprodukterecht Desinfektionsmittel sind Medizinprodukte, wenn sie angewendet werden, um Medizinprodukte oder den humanärztlichen Behandlungsbereich antiseptisch zu machen.
- Chemikalienrecht Desinfektionsmittel sind Biozide, wenn sie zur Flächendesinfektion (außer bei Medizinprodukten und im humanärztlichen Behandlungsbereich) oder am Menschen oder im Schwimmbad (siehe Schwimmbadverordnung) eingesetzt werden sollen, um eine unspezifische Weitergabe von Infektionskeimen zu kontrollieren.
- Lebensmittelrecht Nur sehr wenige Desinfektionsmittel (wie Alkohol) sind zugelassen zur Desinfektion von Lebensmitteln oder Trinkwasser (siehe Trinkwasserverordnung). Eine größere Gruppe von Desinfektionsmitteln darf (und muss) jedoch zur Desinfektion von Geräten zur Lebensmittelherstellung verwendet werden. Andere dürfen nicht in Kontakt mit Lebensmitteln treten, durch deren Kontakt würde das Lebensmittel seine Genusstauglichkeit verlieren.
- VDI 6022 Die VDI 6022 enthält die anerkannten Regeln der Technik für Raumluft- und Klimatechnik.